Als junger Flugzeugbauer plagte Sascha Heuser eine Allergie gegen Kunststoffkleber. Darum sägt, hämmert, lackiert er jetzt hölzerne Segelflugzeuge – als Einziger in Deutschland. Jüngstes Flugobjekt: ein historischer „Nurflügler“ aus den vierziger Jahren.
Sascha Heuser, 45, trägt ein schweres Schicksal. Kaum einer erkennt die wahre Größe seines Schaffens. Neulich schrieb ihm ein Modellflugfan, der seine Werkbilder entdeckt hatte: Toll, deine Modelle sehen total echt aus. Und wenn Heuser seinen Beruf nennt, Holzflugzeugbauer, haben die meisten Leute Miniaturen im Kopf.
Dabei macht er gar keinen Kinder- und Sammlerkram. Nur große, richtige Flugzeuge, nämlich Segelflugzeuge aus Holz. Die Nachbarn seiner Werkstatt in einem Potsdamer Hinterhof werden täglich daran erinnert. Noch am Morgen das fiese Kreischen der Kreissäge, jetzt jagt ein Knall den nächsten. Wie Gewehrsalven zu einem letzten Salut.
Im fleckigen Blaumann, Späne auf den Brillengläsern, beugt sich Heuser über einen Rumpf aus Stahl. Er ist gerade mit dem Tacker zu Werke, scharf geschossen wird also nicht, „ich muss nur aufpassen, dass ich mir nicht den Finger ans Holz tackere“, sagt er. Der Flugzeugrumpf bekommt einen Holzmantel, die Heftklammern helfen beim Verleimen.
Der historische Flieger wird aussehen wie ein Riesenbumerang
Eigentlich werden Segelflugzeuge schon seit den siebziger Jahren aus faserverstärkten Kunststoffen hergestellt. Das macht sie dünner, leichter, windschnittiger. Aber Sascha Heuser geht weiter den Holzweg. Er kann nicht anders. Als er in seiner Lehre zum Tischler, Fachrichtung Flugzeugbau, mit den Klebern für die Kunststoffteile hantierte, warf seine Haut Blasen, alles juckte. Eine Weile arbeitet er trotz Allergie: „Ich stand mit Ganzkörperkondom in der Werkstatt, trotzdem kam was von dem Zeug durch.“
Vor neun Jahren hat er sich selbständig gemacht und ist damit bundesweit der letzte reine Holzflugzeugbauer, der Meisterbrief hängt im Büro. Das Gros seiner Aufträge sind Reparaturen: Ein Drittel der rund 8000 Segelflugzeuge in Deutschland sei noch aus Holz, schätzt er. „Die Dinger sind alle mindestens vierzig Jahre alt.“
Bald kommt ein Neubau hinzu. Er arbeitet an der Rekonstruktion einer Horten IV von 1941, einem sogenannten Nurflügler. Der Bau hat kein Höhenruder und sieht aus wie überdimensionaler Bumerang. Die Spannweite wird bei 20 Metern liegen, schon jetzt ragt eine der Tragflächen von der Werkstatt durchs Bürofenster.
Im August soll die Horten fertig sein, nach vier Jahren in Heusers Werkstatt. „Ich liege im Zeitplan“, sagt er, „allerdings haben wir schon mehrere Zeitpläne gemacht.“ Zirka 8000 Stunden wird er am Ende investiert haben. „Bei einem Flugzeug kann man nicht pfuschen, da hängt immer ein Menschenleben dran“, so Heuser.
Wertverlust statt Oldtimer-Effekt
Auftraggeber ist ein emeritierter Aerodynamik-Professor aus Darmstadt, er will den historischen Segler für die Nachwelt erhalten. Weil es keine verlässlichen Aufzeichnungen gab, musste Heuser den Bauplan anhand historischer Fotos rekonstruieren: „In der damaligen Zeit war das wirklich ein spaciges Teil.“
Gut 70 Jahre später gilt die Flugleistung nicht mehr als außerirdisch. Startet die Horten in 1000 Metern Höhe den Gleitflug, kommt sie zirka 32 Kilometer weit. „Die hochgezüchteten Superteile von heute schaffen aus der gleichen Höhe 70 Kilometer“, erzählt Heuser.
In puncto Sicherheit hinkt die Holzklasse nicht hinterher. „Bevor hier in Deutschland ein Flugzeug in die Luft darf, muss es etliche Normen erfüllen“, erklärt der Spezialist. Nach jedem Bauabschnitt kommt ein Prüfer zur Abnahme. Selbst sein Sperrholz – finnische Birke, 90 Euro der Quadratmeter – trägt ein Prüfsiegel. Mit Röntgenstrahlen wurde es auf Verästelungen untersucht.
„Ich mach lieber mal das Tor auf“, sagt Heuser und bestreicht er die Innenseiten der Planken mit beißendem Nitrolack, der soll Schimmel und Holzwürmer fernhalten. Konservieren, konstruieren, montieren – macht er alles allein. Es gäbe auch es niemanden, der ihm zur Hand gehen könnte. Als er seine Ausbildung abschloss, wurde der Prüfungsausschuss für Holzflugzeugbau aufgelöst.
„Wenn das hier mal brennt, bin ich am Arsch“
Sowieso reicht das Geld nur für einen. Die Versicherungen hat er bereits zurückgefahren – „wenn das hier mal brennt, bin ich am Arsch“. Worauf er sich einließ, war früh klar. Während der Ausbildung sprach sein Meister in die Runde, er habe die Lösung, wie man mit Flugzeugbau ein kleines Vermögen macht: Man muss mit einem großen anfangen.
In seiner Branche will sich der Oldtimer-Effekt nicht so recht einstellen. „Bei einem vierzig Jahre altem Auto würde man längst von einem Klassiker sprechen. Aber Flugzeuge werden tatsächlich immer weniger wert“, sagt Heuser und rechnet vor: Wenn man einen historischen Segler für 15.000 Euro restauriere, sei der hinterher trotzdem nicht mehr wert als 5000 Euro.
Das Horten-Projekt soll der Ein-Mann-Firma neuen Aufwind bescheren. Die Szene verfolgt jedenfalls mit Interesse, was in Potsdam geschieht. Gerade erschien ein Artikel in einem amerikanischen Fachblatt. „Ich hoffe noch darauf, dass hier eines Tages ein reicher Amerikaner hereinspaziert“, sagt Heuser.
Für alle Fälle hat der Mann, der doch so oft für einen Modellbauer gehalten wird, einen Plan B in der Tasche: Kinderspielzeug. „Wäre eine Option“, sagt Heuser. Einen Tret-Zeppelin hat er bereits gebaut. Natürlich aus Holz. Was Spielwaren betrifft, liegt das Material gerade mächtig im Trend.