In Ost- und Nordsee verrosten Granatenkisten und Torpedos. Wie bekommt man den zerstörerischen Kriegsmüll da wieder raus? Unterwegs mit Forschern und Baggerfahrern bei einem großen Experiment.
[Süddeutsche Zeitung, Januar 2025]
Als Ulrich Lilienthal die erste Bombe vom Ostseegrund baggerte, hatte er schwitzige Hände. „Nicht vor Angst“, betont er. Es war die Aufregung. Und der Stolz. Früher stellte der Maschinist mit dem Kran Dachstühle auf. Jetzt, mit 61 Jahren, wird er Teil einer weltweit einmaligen Mission: Das Meer von zerstörerischem Kriegsmüll zu befreien.
Lilienthal ist für den kurzen Plausch vom Kettenbagger gestiegen. Der steht auf einer schwimmenden Hubinsel, Stelzen verankern sie im Meeresboden. Oben in seiner Fahrerkabine kann der Mann durchs Panzerglas zu den Urlaubsstränden der Lübecker Bucht blicken, das Ufer liegt keine zwei Seemeilen entfernt. Seine Arbeitsmonitore, die den Meeresgrund zeigen, liefern ein weniger idyllisches Bild: Dort unten türmen sich Granatenkisten, liegen Torpedos wie im Mikado kreuz und quer aufeinander. „Sieht aus wie im Wald“, schrieb ein Taucher ins Projekttagebuch, angesichts vieler aufrecht im Sediment steckender Bomben.
Ost- und Nordsee sind Waffenmüllhalden. Rund 1,6 Millionen Tonnen liegen vor deutschen Küsten. Das entspricht der Fracht dreier rappelvoller Riesencontainerschiffe. Die Geschosse, darunter die 250-Kilo-Wehrmachts-Fliegerbombe, nach der Lilienthal baggerte, stammen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten wurden nie abgefeuert und landeten ohne scharfe Zünder im Meer. Trotzdem werden sie achtzig Jahre später zur tödlichen Gefahr: Im Salzwasser rosten und bröckeln ihre Hüllen, die austretenden Sprengstoffe vergiften Wasser, Muscheln, Fische – und lassen sich bereits auf unseren Tellern nachweisen.
Deshalb läuft seit vorigem Sommer ein 100-Millionen-Euro-Projekt. Es erprobt im Auftrag des Bundesumweltministeriums, wie sich die Munition im großen Stil rausholen und beseitigen lässt. Die Teams haben erste Bomben geborgen und für sie unter Wasser ein Depot angelegt, das wie das Lager eines Onlineversands funktioniert. Später soll ein schwimmender Ofen, eine Weltneuheit, die Funde in Rauch auflösen.
Jetzt wird tatsächlich losgeräumt. Dabei wurde die Munition im Meer, wie viele große Umweltgefahren, noch bis vor Kurzem verharmlost und ignoriert.
Was führte an der Küste zur Kehrtwende? Wie entwaffnet man ein Meer? Und warum braucht es außer Baggern und Tauchern auch Archäologen und Schachbretter dafür?
Wochen vor dem Bergungsstart, an einem Junimorgen 2024, bricht der Forschungskutter Littorina zur Kolberger Heide auf, einer Sandbank unterm Meeresspiegel, die in der Ostsee zu den Munitionshotspots zählt. An Bord: Meeresgeologe Jens Greinert und sein Team des Geomar, dem Kieler Meeresforschungzentrum.
Nach Kriegsende wollten die Siegermächte Deutschland eilig abrüsten. Statt die Munition langwierig zu zerlegen, wurde sie von 1945 bis 1949 im Meer entsorgt, oft von hiesigen Fischern. Die festgelegten Verklappungsgebiete lagen küstenfern. Doch um Zeit und Sprit zu sparen, warfen, rollten und schubsten die Besatzungen die explosive Fracht oft auf halber Strecke, nahe der Häfen und Strände, über Bord.
Das Durcheinander ist der Grund, warum Greinert und das Geomar seit Jahren für diverse Kartierungsprojekte durch die Ostsee „ötteln“, wie er sagt. Vor dem Aufräumen muss jemand Licht ins Meeresdunkel bringen.
Im Bordlabor zeigt ein Bildschirm eine Karte, die an Elefantenhaut erinnert: grau, runzelig – und mit „Pickeln“. So nennt Greinert die Verdachtspunkte auf der Karte. Es könnten Steine sein, Schrott – oder Bomben. Letztere vermutet er, wenn die Punkte eine gestrichelte Linie bilden. „Dort flog die Munition hintereinander weg vom fahrenden Schiff ins Meer.“
Für die grauen Karten tastet ein Fächerecholot den Grund ab, seine Schallwellen werden von harten Oberflächen reflektiert. Um zu erkennen, ob sie von Steinen oder Bomben stammen, versenkt das Team jetzt eine halbe Million Euro. So viel hat „Kalle“ gekostet, ein spanischer Tauchroboter. Er scannt ein kleines Stück Meeresboden Bahn für Bahn ab, sein Seitensichtsonar erzeugt eine detailliertere Karte. Mit Kalles Kamera lassen sich zudem 3D-Fotomosaike erstellen. Für so hochauflösende wie furchteinflößende Ansichten des Bombenteppichs unter dem Schiff.
Sprengstoff tötet nicht nur mit Wumms, sondern auch schleichend. In der Kolberger Heide fing 2022 das Thünen-Institut für Fischereiökologie Plattfische, von denen jeder vierte Lebertumore aufwies. TNT und dessen Abbauprodukte schädigen das Erbgut und verursachen Krebs. Toxikologen der Uni Kiel platzierten Netze mit Miesmuscheln in der Nähe von Weltkriegsminen und fanden im Muschelfleisch nach Wochen Sprengstoffspuren. Durch wegrostende Bombenhüllen gelangen sie ins Wasser, ins Sediment und in die Nahrungskette. Fische verstecken sich gern in den Munitionsgehäusen und laichen darin, mitten in den Giftwolken.
Deren Spuren zeigen sich längst auch in Wasserproben außerhalb der Munitionsgebiete – und im Fisch vom Fischmarkt. Die Konzentrationen sind für Menschen noch unbedenklich. Doch die Zeit drängt: Die Bomben müssen raus, solange ihre Hüllen noch nicht gänzlich zerbröckelt sind. Gift, das sich im Wasser verteilt hat, bekommt kein Bagger mehr zu fassen.
Trotz eines sprunghaften Anstiegs der Messwerte seit den Zehnerjahren blieben die Behörden lange untätig. Noch 2019 sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums, dass es „keine großräumige Gefährdung von Mensch und Umwelt“ gäbe.
„Das Problem wurde lange aktiv ignoriert“, sagt Greinert. Er zählt, gemeinsam mit weiteren Forschern, dem Naturschutzbund Nabu und einigen Gemeinde- und Behördenvertretern, zum Häuflein Hartnäckiger, die seit Jahren aufs Räumen drängten.
Im Bordlabor ruft er: „Was ist das denn? Vielleicht ein Torpedokopf?“ Sein Team hat Käpt“n Blaubär, eine blaue Kameradrohne, auf Tauchgang geschickt. Greinerts junger Kollege steuert sie mit einem Videospielcontroller. Eine KI rechnet im Livebild den Schlick raus, den die Drohne aufwirbelt. Auf dem rostigen Geschoss, das sich im Bild zeigt, hängen Seesterne, ein Krebs krabbelt darauf. Anders als auf den Karten blickt man mit der Drohne nicht nur von oben auf die Objekte, sondern kann alle Seiten inspizieren, samt möglicher Löcher.
Vor jeder Bergung muss bekannt sein, welche Munition am Zielort wartet und wie ihr Zustand ist, um Risiken zu senken. Fliegerbomben, die im Krieg steingleich fallen und donnernd einschlagen sollen, besitzen dicke Stahlhüllen, sie lassen sich recht sicher bewegen. Leichte Torpedos hingegen drohen zu brechen und zu detonieren.
Manche erspähte Munition ähnelt im Anblick einem attischen Tonkrug, der in Scherben liegt. Vor solchen Bombenbruchstücken öffnet die Drohne ihre Vorderklappen, um eine Wasserprobe zu nehmen.
Wie viele der Bomben bereits Löcher aufweisen, kann Greinert nicht sagen. Zwar seien die Munitionszonen der Ostsee weitgehend kartiert, man weiß also, wo die Elefantenhaut Pickel hat. „Aber diese Pickel müssen wir alle noch anfahren und identifizieren. Davon haben wir vielleicht zwei Prozent geschafft.“
Die Mühe lohne sich, findet er. Die Ostsee sei ein „multimorbider Patient“, und im Vergleich zu Überdüngung, Fischschwund und steigenden Wassertemperaturen sei das Munitionsproblem recht simpel lösbar. „Wir holen das Zeug raus, dann ist es weg – und kommt nicht wieder.“ Im Pilotprojekt übernimmt das Geomar das Umweltmonitoring: Vorher-nachher-Wasserproben sollen zeigen, ob beim Heben der Bomben verstärkt Sprengstoff entweicht.
Bis vor einigen Jahren ging man weniger zaghaft vor und hat manche Mine, die auf Schiffsrouten oder Unterwasserbaustellen im Weg lag, schlicht gesprengt. In Sekundenbruchteilen verteilten sich all die toxischen Partikel im Meer, die sonst über Jahre aus den Rostlöchern der Bomben kriechen.
Außerdem löst die Knallerei fatale Druckwellen aus: Vor einem Nato-Manöver wurden 2019 alte Kriegsminen im Fehmarnbelt gesprengt, einem Refugium der vom Aussterben bedrohten Schweinswale. In der Folge trieben etliche Kadaver der Tiere im Meer und an die Strände.
Der Vorfall spülte aber auch das Munitionsproblem an die Oberfläche. Meeresschützer hatten für ihr Ziel nun ein emotionales Bild: tote Schweinswale. „Und das haben wir medial stark gespielt, um der Politik Druck zu machen“, sagt Kim Detloff, der Nabu-Meereschef. Zeitungen titelten vom „Wal-Massaker“.
Andere Beteiligte bestätigen, dass die toten Miniwale letztlich für die Wende sorgten, was den politischen Willen betrifft, die Munition endlich großflächig zu bergen. „Sie haben sich wirklich geopfert für die restliche Meereswelt“, sagt Claus Böttcher, der damals in der Sonderstelle „Munition im Meer“ von Schleswig-Holsteins Regierung arbeitete und ebenfalls zu den Wegbereitern des Räumprojekts zählt.
Noch im Dezember 2019 drängten die Länder-Umweltminister den Bund, das Finanzieren des Räumens zu prüfen. 2021 schrieb die Ampelregierung in den Koalitionsvertrag: „Für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee wird ein Sofortprogramm aufgelegt.“
Heute zum Projektstart schwärmen Politiker von der „Pionierleistung“, vom „Meilenstein“. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte bei einem Kick-off in Berlin: „Das hat es weltweit noch nicht gegeben.“ Die Politik betont auch die wirtschaftlichen Chancen einer innovativen Räumplattform, diese könne zum „Exportschlager“ werden. Vor vielen Küsten der Erde rostet Munition.
Vom leidigen Umweltproblem zum Business Case – bei dem Spin half der Naturschutz mit. Der will sonst die Industrie aus dem Meer raushaben, nun lud er sie ein, Teil der Lösung zu sein. Bei einem vom Nabu organisierten Fachgespräch im Juni 2021 stellte Thyssenkrupp Marine Systems sein Konzept einer Entsorgungsplattform vor. Später brachte sich auch Rheinmetall ein. Zwei Rüstungskonzerne, die aufs Räumgeschäft schielen; auch eine Form von Kreislaufwirtschaft.
Es lag aber eher an kleineren Betrieben, dass das Pilotprojekt nicht bei null starten muss: Wann immer vor Küsten Windparks gebaut oder Unterseekabel verlegt werden, suchen diese Spezialfirmen den Unterwasserbaugrund nach Munition ab und holen sie raus. Zuvor ließen sich die Rufe der paar Naturschützer und Forscher, das Meer zu beräumen, als Utopie abtun. Doch dank des Windkraftbooms gibt es Profis, die zeigen, dass es geht.
Bei der Pilotbergung in der Lübecker Bucht markieren gelbe Tonnen im Wasser die Sperrzonen. Um schaulustige Segler zusätzlich fernzuhalten, patrouilliert ein Security-Schiff. Das Bergen übernehmen drei deutsche Betriebe: Eggers und Hansataucher bearbeiten einen Flecken mit Bomben, Seaterra knöpft sich einen Patronenkistenhaufen vor. Die drei testen mit abweichenden Methoden und Maschinen, was am effizientesten funktioniert.
Auf Seaterras 65 Meter langem Arbeitsschiff taucht ein Baggerarm ab und nimmt Kiste für Kiste in den Zangengriff. Ein gemächlicher, fast zärtlicher Akt, weder sollen die Holzkisten zerfallen, noch ihr Inhalt explodieren. Der Bagger bugsiert die Kisten in den Bergekorb am Grund. Bevor ein zweiter Greifer den gefüllten Korb an Bord holt, muss er eine Stunde unter der Wasseroberfläche abhängen, denn bei Druckabfall drohen Risse oder gar das Detonieren. Man kennt diese Dekompression von Tauchern. Auch die sind Teil der Teams, zum Beispiel, um bei trüber Sicht die Kampfmittel zu identifizieren.
An Bord landen die Kisten auf dem Arbeitstisch der Feuerwerker. Michael Scheffler hantiert seit 42 Jahren mit Sprengstoff. Nach der Bundeswehr hätte er auch in die Rüstung gehen können, erzählt er. „Ich wollte aber lieber alte Munition wegräumen, als neue in die Welt zu schaffen.“ Staaten ordern derzeit so viel Waffen wie nie. Bei Umweltministerin Lemke hat sich ihr ukrainischer Amtskollege über das Pilotprojekt erkundigt. Aus Sorge um die Situation im Schwarzen Meer. In der Ostsee beginnt das Räumen, woanders werden großflächig neue Minengärten angelegt.
Die geborgene Munition lässt sich nicht einfach nacheinander in den späteren Sprengofen schmeißen. Man muss Bomben und Minen delaborieren, also in Häppchen schneiden, und so ein Menü aus diversen Munitionstypen zusammenstellen. Die Summe der Explosivmasse muss je Ladung unter einem Höchstwert liegen, damit sich der Ofen nicht selbst sprengt. Auch deshalb öffnet Scheffler die Kisten. „Wir schauen, was wirklich drin ist“, sagt er. Manchmal passen Kisten- und Munitionstyp nicht zusammen.
Die Teams überraschte auch, auf wie viele britische Patronenkisten sie in der Bucht stoßen. „Wir dachten, hier liegt nur reichseigenes Zeug“, sagt ein Arbeiter in signalgelber Jacke. Wer später den früheren Marineoffizier Uwe Wichert anruft, der sich seit Langem durch die Archive wühlt, erhält die Lösung: „Die Alliierten haben die Bucht teils auch zum eigenen Kehraus genutzt.“ Das Lübecker Hafenbuch hält den Fakt fest: Am 17. und 19. Januar 1949 verklappte der Dampfer Orion 700 Kilo veraltete Munition der Royal Air Force. Auch Waffen haben ein Verfallsdatum, weshalb die Kieler Toxikologen ihr Wissen mit Kollegen aus den USA teilen. Dort landeten ausgemusterte Geschosse bis in die 1970er im Meer.
Zurück an Bord: Die dokumentierten Patronen packen Scheffler und seine Kollegen in Plastiktüten. Sie sind antistatisch, um fatale Funken zu vermeiden. Die befüllten Tüten kommen in gepolsterte Fässer. Ein kleineres Schiff holt sie ab, befördert sie wenige Hundert Meter weiter – und versenkt sie dort für die Zwischenzeit im Nasslager.
Was es damit auf sich hat, zeigt sich in einem Containerbüro des Hauptschiffs. Dort wertet die Geophysikerin Grit Jahn Kartendaten aus, um unter anderem zu sagen, wo das Schiff seine Stelzen in den Meeressand rammen kann, ohne dass dabei buchstäblich eine Bombe platzt. Neben ihr sitzt ihr Mann Christoph Jahn, ein Archäologe, der früher Bronzezeit-Grabbeigaben inventarisierte und nun beim Dokumentieren der Munition und ihrer Fundstellen hilft. „Das unterscheidet sich vom Vorgehen nicht groß“, sagt er. An den PCs spielt das Team eine Art Unterwasserschach: Das Nasslager ist ein Raster am Grund, in jedes der zehn mal zehn Meter großen Planquadrate wird eine der Tonnen positioniert. Es gibt auch größere Quadrate, reserviert für Minen und Bomben. Von September bis November konnten die Teams fünfzig Fässer und zehn größere Container füllen. In den wasserdichten Behältern warten die Geschosse auf ihr Ende im Sprengofen.
Um den aufs Meer zu bringen, läuft derzeit Phase zwei des Pilotprojekts. Zwei Drittel der 100 Millionen Euro bleiben für das Entwickeln und Erproben der Entsorgungsanlage übrig. Zum Bewerberfeld zählen auch Zusammenschlüsse kleinerer Firmen. Man will die Geschosse auf See verbrennen, weil einige stark zerfallen oder aber bezündert sind, ein Transport gilt als zu riskant. Billiger als der schwimmende Ofen wäre eine küstennahe Anlage am Ufer. Die Gemeinden haben bisher Weitblick bewiesen und den Räumstart unterstützt, „denn das, was da vor unserer Küste schlummert, kann uns hier alles verderben“, sagte die Scharbeutzer Bürgermeisterin Bettina Schäfer der Lokalzeitung. Aber die Bomben neben Urlauberstränden zu verbrennen, wäre vielleicht doch zu viel.
Bisher wird alle Altmunition – ob aus Meer, Stadt, Wald – an Land verbrannt. Vor allem bei der Gesellschaft zur Entsorgung chemischer Kampfstoffe und Rüstungs-Altlasten, Geka, im niedersächsischen Munster. In deren Öfen sollte auch Funde aus dem Pilotprojekt landen, um Erkenntnisse für das spätere Verbrennen auf See zu gewinnen. Doch kurz vor der ersten Fuhre stoppte Schleswig-Holsteins Regierung den Plan. „Wir mussten feststellen: Nach aktueller Rechtslage darf man gar keine Altmunition über See transportieren, sofern es sich nicht um einen Notfalltransport handelt“, sagt Wolfgang Sichermann, dessen Unternehmen Seascape das Projekt für das Bundesumweltministerium koordiniert. Befördert man beim Bau von Windparks Kampfmittel im und aus dem Meer, erlaubt das die Gefahrgutverordnung See als Notfallmaßnahme. Ministerium und Seascape dachten, ihr Vorhaben sei nichts anderes. War es dann doch.
Jetzt soll die Plattformbauzeit dazu dienen, juristisch aufzuholen, vielleicht liegen die nötigen Gutachten, Gesetze und Genehmigungen vor, bis die Anlage im Regelbetrieb loslegt.
Der könnte 2027 starten. Falls es Geld gibt. Die jetzigen 100 Millionen Euro sind nach dem Plattformbau weg. Der Betrieb dürfte nach Schätzungen ähnlich viel kosten. Im Jahr. Trotz der Schwärmerei vom Geschäftsmodell: Die Plattform produziert ja nichts. Sie nimmt nur was weg. Die deutsche Gesellschaft und jene Staaten, in die sich die Technik vielleicht verkaufen lässt, müssen bereit sein, für den Meeresschutz zu zahlen.
Nach der ersten Räuminsel bräuchte es schnell weitere, um Schritt zu halten mit dem Lochfraß der Hüllen. Zumal vier Fünftel der 1,6 Millionen Tonnen Munition in der Nordsee liegen, deren Gezeiten, Strömungen und stürmische Wogen das Räumen massiv verkomplizieren. Etliche Geschosse verbergen sich tief im Sediment oder gar in Kriegsschiffwracks, es wird knifflig, sie dort rauszuholen.
Auch beschwerliche Wege starten mit dem ersten Schritt. Einmal mussten Seaterras angeheuerte Taucher ihre Kollegin warnen, als sie unter Wasser Geschosse inspizierte. Damit sie nicht erschrickt. Ihr näherte sich ein Besucher: Delle, ein Delfin, der sich in der Bucht tummelt. „Schön, dass es so was noch gibt“, sagte einer der Taucher. „Gut, dass wir anfangen, hier aufzuräumen.“