Fast wäre der Kormoran ausgestorben, doch es gelang ihn zu retten. Jetzt fressen die Vögel die Dorsche weg. Wie der Mensch die Natur immer wieder aus dem Gleichgewicht bringt.
[Süddeutsche Zeitung, April 2024]
Die reetgedeckten Häuser des Fischerdörfchens Gothmund am Rande Lübecks stehen unter Denkmalschutz. Doch noch wohnen echte Fischer darin. Sie fahren weiterhin tagein, tagaus aufs Meer. Zum Broterwerb. Und künftig auch für ein Forschungsprojekt. Sie hoffen, dass die Ergebnisse ihren Berufsstand in der Frage entlasten, wer Schuld trägt am Verschwinden des Dorschs.
Der einst wichtigste Ostsee-Speisefisch darf kaum noch befischt werden. Trotzdem erholt sich sein Bestand nicht. 2021 fanden Forscher an einer Travebucht heraus, dass allein die dortigen Kormorane im Jahr mehr Dorsche fraßen, als deutsche Ostseefischer insgesamt noch fangen dürfen. Das jetzige, größere Projekt soll nun klären, ob der Vogel die Dorschpopulation gefährdet. Es heißt „Kormoran-induzierte Mortalität beim Westdorsch“, kurz: Komodo.
Im November 2023 treffen sich Fischer, Forscher und Presseleute im Dorf zum Projektstart. Werner Schwarz stößt hinzu, Schleswig-Holsteins Fischereiminister. Sein Ministerium zahlt 758 000 Euro für das Projekt. In seiner Rede nennt Schwarz als mögliche Ursachen für die Fischkrise neben Klimawandel und Nährstofflast den Kormoran, dessen Bestand „erheblich“ zugenommen habe. Er führt das auf Artenschutz zurück, „der sehr erfolgreich war“. Man müsse sich irgendwann fragen, „wie weit der Artenschutz geht“.
Allein in Europa drohen fast 20 Prozent aller Tiere und Pflanzen auszusterben. Der Dorsch zählt dazu. Doch auch Europas Kormorane waren schon fast ausgerottet, weil man sie als Fischräuber über Jahrhunderte jagte. 1979 stellte die Europäische Gemeinschaft die Vögel unter Schutz. Heute flattern wieder Hunderttausende über den Kontinent.
Der Kormoran beweist, dass Artenschutz tatsächlich gelingen kann – und dass niemand genau weiß, wie es danach weitergeht. Sollte man Natur, die sich Räume zurückerobert, erneut in die Schranken weisen?
Fischer- und Anglerverbände nennen den Vogel jedenfalls „überschützt“. Auch Stimmen aus Wissenschaft und Politik fordern ein Aufweichen des Schutzes. Mehrere Gesetzesinitiativen, unter anderem aus Deutschland, machten sich für ein europaweites „Kormoranmanagement“ stark. Wobei managen abschießen heißt, vergrämen oder dafür sorgen, dass die Eier nicht ausgebrütet werden können. Bislang konnte sich die EU nicht einigen. Nicht nur Gothmunds Fischer hoffen, dass das Komodo-Projekt den Plänen neuen Schub verleiht.
Vom Herbst bis ins Frühjahr ziehen viele Kormorane von den Küsten an die Binnengewässer zurück und verlagern den Konflikt. Auf den Spuren ihrer Route zeigt sich an den Teichen der Lausitz, dass man dort nicht nur am Vogel, sondern auch am Zeitgeist verzweifelt. In einem Fluss im Westerwald scheint der einst gefährdete Vogel ein drängendes Naturschutzziel zu bedrohen. Und zurück an der Küste nimmt im Frühjahr 2024 das Komodo-Projekt Fahrt auf, einige Projekthelfer wollen den Kormoran schießen, andere ihn schützen.
Wo er aufkreuzt, wirft der Vogel unbequeme Fragen auf. Eine lautet: Wie viel Wildnis halten wir aus?
An den Teichen
Ein Herbsttag in Brandenburgs Lausitz. Zwölf Männer waten durch einen Teich. Sie ziehen ein Netz, darin drängeln Spiegelkarpfen, Schuppenkarpfen, Welse.
„Fische, die schwarze Zahlen bringen – wenn die Vögel nicht wären“, sagt Gerd Michaelis, Chef des Peitzer Teichguts.
Über einer Wanne sortieren er und seine Helfer den Fang, die zappelnden Fischleiber sprenkeln ihre Gesichter mit Schlamm. Spaziergänger bleiben stehen, um der Schufterei zuzusehen.
Einen anderen Part seines Jobs verrichtet Michaelis lieber unbeobachtet. Auch die Presse möchte er nicht dabeihaben, aus Sorge, die Fotos könnten bei Vogelfreunden landen. „Die Vermenschlichung der Tierwelt wird immer schlimmer“, sagt er. Jedes Jahr schießen er und mehrere Jäger an den Teichen über 1000 Kormorane. Die Flugabwehr in Peitz ist bestens organisiert, loben Fischerkollegen.
Der Kormoran unterliegt dem EU-Vogelschutz und darf nicht gejagt werden. Wo er Fischbeständen schadet, gelten Ausnahmen, die jedes Bundesland unterschiedlich regelt. Jährlich werden in Deutschland zwischen 10 000 und 25 000 Kormorane erlegt.
Michaelis wirkt nicht, als wäre er scharf aufs Schießen. Die Jagd verschlingt viel Geld, für Patronen und Sprit, bei 33 Teichen und 1500 Hektar Wasserfläche.
Um sich das Jagen zu sparen, versuchte ein Nachbarteichwirt jahrelang, die Vögel unblutig fernzuhalten. Mit Netzen, Vogelscheuchen, minderwertigen Ablenkfischen. Half alles nichts. Auf dem Knallschreckgerät hockten am Ende die Kormorane und kackten drauf.
Die Forschung sagt aber auch: Lokale Abschüsse beeinflussen Europas Bestände kaum. Kormorane wandern weit und füllen Populationslücken flugs wieder auf – weshalb sich trotz der vielen Abschüsse unablässig Vögel um die Peitzer Teiche scharen. Fischerverbände fordern daher ein kontinentales Kormoranmanagement. Michaelis vergleicht das mit seiner Armeezeit: „Wenn man nicht die ganze Stube, sondern nur unter seinem Bett kehrte, lag wieder Staub drunter, sobald die Tür aufging.“
Wie Teichwirte fischen Kormorane gern im Verbund. Tauchend treiben die Vögel ihre Beute vor sich her, ins seichte Wasser, wo es kein Entrinnen gibt. Zusätzlich picken zunehmend Reiher in den Teichen und Biber bauen Dämme, wodurch manche Fischgrube leerläuft. Wegen solcher Gefahren erreichen von 100 Karpfenbrütlingen im Schnitt nur sechs das Speisefischalter, fand das Potsdamer Institut für Binnenfischerei heraus.
Wer wegen geschützter Wildtiere Einbußen hat, wird entschädigt. Michaelis rechnet allerdings vor, dass das Geld oft nur ein Drittel seiner Verluste ausgleicht. Von Steuergeld zu leben, kratzt zudem an der Fischerehre. Die Peitzer Teiche versorgten zu DDR-Zeiten weite Teile des Volks mit tierischem Eiweiß, die Karpfen waren Devisenbringer. Heute sind auf deutschen Tellern von zehn Fischen neun importiert.
Laut Forschern könnten Brandenburgs Betriebe dreimal mehr Fisch erzeugen, als sie es derzeit tun. Das würde auch der Ökobilanz der Verbraucher helfen: Der WWF nennt Karpfen und Welse als einzige Speisefische, deren Kauf uneingeschränkt unbedenklich sei.
Doch die Produktion schwächelt. Neben jungen Fischen fehlt auch beim Personal der Nachwuchs. Der Mann, der beim Abfischen im Bagger das Netz an Land hievt, ist 73 Jahre alt. „Ich wollte längst aufhören“, sagt er, „aber der Gerd findet ja keinen anderen.“ Der Betrieb hat seit Jahren keine Lehrlinge, kann für die harte Arbeit nur Mindestlohn zahlen und behilft sich mit Leiharbeitern, denen das Teichwissen fehlt. Kürzlich bewarb sich ein junger Mann. Als er vom Arbeitsbeginn hörte, sechs Uhr, fragte er, ob nicht auch acht Uhr ginge. „Work-Life-Balance“, sagt Michaelis. Er hadert auch mit dem Kohle-Aus in der Lausitz: Hinter den Teichen dampft das Kraftwerk Jänschwalde, sein 20 Grad warmes Kühlwasser dient der Karpfenzucht. Jungfische wachsen darin schneller. Doch 2028 soll Jänschwalde vom Netz gehen.
Bei allen Sorgen rückt der Kormoran fast in den Hintergrund. Aber nur fast. In einer aktuellen Studie nannten Brandenburgs Teichwirte Kormorane das gravierendste all ihrer Probleme. Mitteleuropas größtes Teichgebiet, die Lausitz, scheint für Mensch und Vogel nicht groß genug. Das Dilemma zeigt sich auch an der Position des Naturschutzbundes, kurz: Nabu. Der wurde von Vogelschützern gegründet und ist für viele Fischer ein rotes Tuch, spätestens seit er im Jahr 2010 den Kormoran zum Vogel des Jahres kürte. Der Nabu fordert: Kein Kormoran darf geschossen werden. Gleichzeitig schwärmt er vom Naturschutzwert der Teichwirtschaften, die Refugien für Kolbenenten, Amphibien und Ringelnattern sind.
Die internationale Ramsar-Konvention zählt die Peitzer Teiche zu den weltweit wichtigsten Feuchtgebieten. Teiche filtern Grundwasser, binden Kohlenstoff, puffern bei Hochwasser. Die menschengemachten Fischgruben übernehmen damit stellvertretend viele Funktionen der natürlichen Sümpfe, Moore und Flussauen, von denen hierzulande in den vergangenen 300 Jahren mehr als 80 Prozent zerstört worden sind.
Michaelis und seine Mitgesellschafter sind über sechzig. „Wenn wir keinen Nachfolger finden“, sagt er, „müssen wir den Betrieb einstellen.“
Wer Arten schützen will, sollte, scheint es, auch Teichwirte retten: Aufgegebene Teiche verlanden und verkrauten – und erbringen dann ihre Ökosystemleistungen nicht mehr.
Am Fluss
Lassen Kormorane Flüsse kippen? Für Carola Winkelmann deutet viel darauf hin. An einem milden Februarmorgen führt die Biologin zur Brücke von Stein-Wingert, einem Dorf im Westerwald. Unter ihr rauscht die Nister, in der das Team der Uni Koblenz vier Jahre lang forschte. Was im Fluss aufblitzt und blinkt, sind Nasen, „die wichtigsten Fische hier“, sagt Winkelmann. Sie steigt in ihre Wathose. Dann keschert sie eine der Nasen aus dem Fluss und zeigt auf die scharfkantige Unterlippe des Fischs. „Damit hobelt er die Algen von den Steinen.“
Würden die Fische sie nicht wegfuttern, könnten die grünen Fäden das Flusssediment verstopfen, wodurch Algenteppiche drohen, die das übrige Leben im Fluss ersticken. Die Zusammenhänge hat das Team untersucht, auf zwei gleichlangen Flussabschnitten, in denen sie per Abfischen und Aussetzen die Fischbestände erhöhten und reduzierten. Wo mehr Fische schwammen, verbesserten sie die Sauerstoffversorgung und den Wasseraustausch im Fluss. Sie halfen ihm, sich selbst zu reinigen.
Doch seit 1999 sinkt die Nasenzahl. Damals entdeckten Kormorane das idyllische Flusstal für sich. Die Studie nennt sie als möglichen Hauptgrund für den ökologisch bedenklichen Zustand der Nister, die wenig Industrie und viel Wald umgibt. Generell seien weitere Fischgefahren nicht wegzureden, sagt Winkelmann, die Zerschneidung der Flüsse, chemische Einleitungen. „Aber das heißt nicht, dass man gegen den Kormoran nichts tun muss.“
Ihr wichtigster Projekthelfer war ein Rentner, Manfred Fetthauer, der von klein auf im Dorf lebt. Die Studie mag vorbei sein, seine Mission – viele Nasen, sauberer Fluss – geht weiter. So lehnt er zu jedem Sonnenaufgang am Garagentor und zählt am Himmel die schwarzen Kreuze, die Kormorane mit ihrem weiten Flügelschlag, auch ihre Einflugrichtung notiert er.
Ohne Jagd auf die Vögel, sagt er, wären die letzten Nasen fort, also hilft er auch dabei mit: Er begrüßt am Morgen einen langen Kerl mit geschulterter Flinte, der im Nachbarort als Zahntechniker arbeitet und an der Nister schießen darf. Mit Stahlschrot statt Blei, um das Gewässer zu schonen.
Fetthauer zieht los, um dem Jäger die am Ufer rastenden Vögel vor die Flinte zu scheuchen. „Komm Richtung Brück!“, sagt Fetthauer dem Jäger im Westerwalddialekt übers Handy. Als der Jäger den Dorfspielplatz vor der Brücke erreicht, ziehen über ihm zwei der Vögel hinweg. Er reißt das Gewehr hoch, feuert – und verfehlt sein Ziel.
Zum Aufschrecken weiterer Vögel stapft Fetthauer flussabwärts, vorbei an der Station, die er und andere Flusspächter einst bauten, um wieder Lachse anzusiedeln. „Es kam anders“, sagt er. Mit Ankunft der Kormorane zur Jahrtausendwende, er notierte damals Schwärme von bis zu 200 Tieren, sei das Flusssystem kollabiert. „Von diesem Schlag hat sich die Nister nie erholt.“
Am anderen Ortsende pirscht sich der Jäger an eine abgestorbene Eiche an der Flusswindung heran, auf deren kahlen Ästen sechs, sieben Kormorane ruhen. Es knallt. Fetthauer ruft ihn an: „Einen geflügelt?“ Wieder nichts.
Bei aller Mühe, auch nur einen Kormoran zu erwischen: Carola Winkelmann fordert, Europas Bestand drastisch zu reduzieren. Mit dem Plädoyer schloss auch ihr Vortrag zum Nister-Projekt beim Brandenburger Fischereitag. Sie erhielt viel Applaus, „Eulen nach Athen tragen“, sagt sie. In Forscherkreisen sei das schwieriger, beim Süßwassersymposium in Newcastle hätten sich die Leute eher für Klimafragen als für ihre Befunde interessiert. „Ich vermute, vielen ist die Rolle fischfressender Vögel nicht bewusst. Oder sie halten sich zurück, weil sie sagen, die Vögel gehören zur Natur.“
Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt vor, die Selbstreinigungsfähigkeit von Gewässern zu erhalten. Und die EU-Biodiversitätsstrategie gibt gesündere Flüsse als ein Hauptziel bis 2030 aus. An der Nister finden sie: Der Kormoran-Schutzstatus steht dabei im Weg.
„Kein Mensch will den Kormoran ausrotten“, sagt Carola Winkelmann. Statt großflächig zu schießen, könnte man an Küsten, wo große Kolonien brüten, deren Eier manipulieren. Trotz der wenigen Nasen, die sich zeigen, wirkt die Forscherin gut gelaunt. Kürzlich hat die EU das Vier-Millionen-Euro-Projekt „ProtectFish“ bewilligt: Ihr Team und Kollegen aus Dänemark, Österreich und weiteren Ländern erforschen, wie sich Europas Flussfische, deren Zahl seit 1970 um 83 Prozent geschrumpft sein soll, besser schützen lassen. Vor allem vor Kormoranen. Eine Agentur hilft bei der Öffentlichkeitsarbeit, organisiert Konferenzen und stellt Kontakte ins EU-Parlament her. Politiker erhalten Argumente. Für mehr Fischschutz. Und weniger Kormoran.
An der Küste
Bernd Koop kämpft sich durch dorniges Schlehengestrüpp, in jenen Teil des Waldes um den Dassower See, in dem Böden und Bäume wie von Schnee berieselt sind. Das Weiß riecht fischig, es ist Kormorankot. Die Vögel wählen abgelegene Schlafplätze, was ihnen ruhige Nächte ermöglicht und Koops Job erschwert.
Der Ornithologe ist Teil des Komodo-Projekts an der Ostsee. Im Sonnenaufgang sind die 2100 Vögel der Kolonie an diesem Märztag zum Fischen ausgeflogen. Also kann er unter ihren Schlafbäumen nach Speiballen stöbern, von den Vögeln ausgewürgte Fischreste. Das Labor ermittelt daraus die Tagesrationen der Vögel – und ihren Dorschkonsum.
Der Dassower See, eine Brackwasserbucht, liegt in der Nähe von Gothmund, wo die Fischer leben, die Dorsche für Komodo besendern. Genau wie sie ist Koop fleißiger Helfer des Projekts. Anders als sie würde Koop Kormorane jedoch nie „Schadvögel“ nennen.
Lieber erwähnt er Studien, die zeigten, dass Kormorane die Nährstofflast in Seen senkten, weil sie viele Fische fraßen, deren Kot Algen blühen ließ. Nicht überall scheinen die Vögel der Gewässergesundheit zu schaden. Koop muss sich mit dem Sammeln der Speiballen beeilen: Wildschweine und Wanderratten sind scharf auf die Eiweißhappen. „In der Natur wird nichts verschwendet“, sagt er.
Um seine Haltung zum Kormoran einzuordnen, muss man nicht mal wissen, dass er für den Nabu Vorträge über Vogelschutz hält. Es reicht zu sehen, wie er am See alle paar Schritte zum Fernglas greift, weil am Himmel ein Turmfalke ruft oder ein Kranichzug Warteschleifen für drei Nachzügler dreht. „Das sind unheimlich soziale Tiere“, kommentiert er die Szene. Solche Momente seien die „Triebfeder“ für seine Arbeit, sagt er, der seit 45 Jahren Vögel zählt.
Anders als beim Gros der Wasservögel weist das Kormorangefieder Wasser nicht ab. Es saugt sich voll, das höhere Gewicht hilft beim Tauchen. Hinterher sonnen sich die klatschnassen Tiere, um nicht auszukühlen. „Strenge Winter können Kormorane stark dezimieren“, berichtet Koop.
Dass Menschen den Bestand regulieren, davon hält er wenig. Und er glaubt auch nicht, dass es so weit kommt. „Es scheitert schon am Monitoring“, sagt er. Längst nicht alle EU-Länder erfassen fortlaufend ihre Kormorane. „Ohne diese Daten ist jeder Eingriff fragwürdig.“
Deutschlands Küsten erfassen ihre Bestände. Koop zählt mit und korrigierte beim Projektstart in Gothmund den Minister, als der von immer mehr Kormoranen sprach. Für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind rund 15 000 Brutpaare erfasst. „Die Zahlen sind seit Langem stabil“, sagt Koop. Exponentiell gewachsen ist der Bestand nur von 1980 bis Mitte der Neunziger – weil er vorher fast verschwunden war.
Damit der Dorsch sich erholen könne, müsse man den Zustand der Ostsee verbessern, sagt er. Ihn ärgert, dass die Idee eines Ostsee-Nationalparks kürzlich kassiert wurde. „Wir Menschen sind nicht willens, der Natur ein bisschen mehr Platz zu geben.“
Deutschland hat 0,6 Prozent seiner Fläche für Schutzgebiete ausgewiesen und zählt damit zu Europas Schlusslichtern. Lebensräume und Ressourcen schwinden. Wo das so bleibt, werden sich Mensch und Wildtier immer wieder ins Gehege kommen.
Koop hat den letzten Speiballen eingetütet und wäscht sich die Hände im See, da klingelt sein Tastentelefon. Am anderen Ende ist der Nabu. In einem dänischen Küstenort fallen Möwen über Touristen her. Als Experte soll Koop das Tierverhalten einordnen. Er sagt: „Das liegt an den Leuten, die Möwen anfüttern, weil die Vögel mit aufs Selfie sollen.“ Damit die Tiere lernten, dass bei Menschen nichts zu holen sei, „muss man das Fütterverbot durchsetzen.“ Die Gemeinde wählte einen anderen Weg. Sie gab die Vögel zum Abschuss frei.